Warum verlieren Projekte Geld, und was sind die Ursachen?
Overengineering
Passgenaues Engineering ist im Maschinen- und Anlagenbau von existentieller Bedeutung. Passgenau klingt zunächst nach der optimalen technischen Lösung. Doch passgenau bedeutet auch die vertragskonforme Ausführung der bestellten Leistung. Nicht zu viel und nicht zu wenig. Immer wieder ist festzustellen, dass Projekte, die zum Zeitpunkt der Vertragsunterschrift als ein lohnendes Geschäft gefeiert werden, sich nach der Fertigstellung als notleidend herausstellen. Der Auftragnehmer hat mehr geleistet, als er ursprünglich geplant und kalkuliert hat und der Kunde ist nicht gewillt mehr als den Angebotspreis zu bezahlen. Diesen Umstand bezeichnen wir als Overengineering.
Im Ergebnis klingelt dann regelmäßig das Telefon. Entweder, weil ein Auftragnehmer die strittigen Forderungen durchsetzen möchte, oder ein Besteller die Forderung seines Auftragnehmers abwehren möchte. Diese nachträgliche Auseinandersetzung um das liebe Geld, lässt sich nicht über eine Win-Win Situation lösen. Im Grunde genommen geht es um Schadensbegrenzung. Denn ein Schaden tritt definitiv allein dadurch ein, dass neben der Belastung der Geschäftsbeziehung, die Parteien auch gefordert sind, entweder zur Abwehr oder zur Durchsetzung von Ansprüchen, teils erheblichen Aufwand zu betreiben.
Im Rahmen des Vertrags- und Claims-Managements ist es erforderlich, die Anspruchsgrundlage beweissicher zu ergründen. Das bedeutet aber, dass Störungen und Abweichungen bis zu ihrem Ursprung zu untersuchen sind. Eine sorgfältige Analyse der Forderung ermöglicht wiederum einen tiefen Einblick in die Strukturen und Prozesse der Unternehmen. Ein guter Claims-Manager, der einen Vorgang systematisch untersucht hat, kennt anschließend auch das Verbesserungspotential in einem Unternehmen, um das Vertrags- und Claims-Management zu optimieren.
Im Laufe der Jahre haben sich immer wieder ähnliche Kriterien gezeigt, wie es zu ungewollten und oft schleichenden Kostenüberschreitungen kommt. Spätestens mit der Endabrechnung sind dann handfeste Konflikte vorprogrammiert. Ziel sollte es sicher sein, Schaden vom eigenen Unternehmen abzuwenden. Vermeiden lässt sich Schaden, wenn man die Ursachen kennt, so dass frühzeitig gegengesteuert werden kann. In den folgenden Beiträgen erfahren Sie neben den Ursachen auch die Ansätze, wie sich negative Auswirkungen vermeiden lassen.
Overengineering Ursache 1: Die Unsicherheit im Umgang mit Verträgen.
Bei Großprojekten werden Aufträge häufig über lange Zeiträume verhandelt, bis endlich ein Vertrag unterschrieben wird. Dann übernimmt ein Projektteam die Aufgabe, den Auftrag zu realisieren. Die zugrunde liegenden Verträge sind umfangreich und nicht selten komplex. Eine für Techniker verständliche Aufbereitung der Verträge unterbleibt in den meisten Fällen. Doch wie sollen die Mitarbeiter einen Vertrag erfüllen, wenn sie ihn nicht verstehen? Neben subjektiven Vertragsinterpretationen wird oft auch gerne auf realisierte ähnliche Projekte zurückgegriffen, wobei die Besonderheiten des aktuellen Vertrages nur rudimentär berücksichtigt werden. Aber auch das Vertragsmanagement im Rahmen der Projektabwicklung ist ein wichtiger Faktor. In fast allen problematischen Projekten lassen sich drei Faktoren finden:
- Ansprüche werden schlicht nicht erkannt.
- Man vertraut auf mündliche Zusagen oder das Wohlwollen der anderen Partei.
- Ansprüche werden nicht angemeldet, weil der formale Aufwand sehr hoch ist.
- Ansprüche werden nicht angemeldet, weil dies den guten Kunden verärgern könnte.
Leider ist es die Regel und nicht die Ausnahme, dass sich an solche Zusagen nur die Partei erinnert, die diesen Anspruch einfordert. Wenn das Projekt nicht rechtzeitig fertig wird, zählen mündliche Zusagen nichts mehr. Leider fehlen dem Anspruchsteller in diesem Moment die Argumente und Nachweise, um den Anspruch des Bestellers abzuwehren.
Ansatz 1: Ansprüche erkennen und Vorgehensweisen beherrschen.
Ansatz 2: Coaching & Support durch Stand-by Contract Manager
Ansatz 3: Die richtige Vertragsstrategie
Ansatz 4: Die Vertragsanalyse vor der Unterschrift
Ansatz 5: Die richtige Vertragsstrategie
Overengineering Ursache 2: Ungleiche Verhandlungskompetenz
Im Laufe der Jahre haben sich immer wieder ähnliche Kriterien gezeigt, wie es zu ungewollten und oft schleichenden Kostenüberschreitungen kommt. Spätestens mit der Endabrechnung sind dann handfeste Konflikte vorprogrammiert. Ziel sollte es sicher sein, Schaden vom eigenen Unternehmen abzuwenden. Vermeiden lässt sich Schaden, wenn man die Ursachen kennt, so dass frühzeitig gegengesteuert werden kann. In den folgenden Beiträgen erfahren Sie neben den 5 hauptsächlichen Ursachen auch jeweils die Ansätze, wie sich negative Auswirkungen vermeiden lassen.
Am Ende eines jeden Projektes bleiben oft meist kleinere Restpunkte übrig, bevor der Vertrag vollständig erfüllt ist. Nun kann man sich darauf einigen, diese abzuarbeiten oder zu kompensieren. Nach zähen Verhandlungen bei einem Kraftwerksprojekt, konnte man sich mit dem Kunden darauf einigen, die letzten offenen Punkte gegen die Lieferung eines Farbplotters zu tauschen. Zurück im Stammhaus wurde die zuständige Abteilung beauftragt, solch ein Gerät zu beschaffen. Die Überraschung war gelungen, als dann eine Bestellung über 15.000 € zur Genehmigung vorgelegt wurde. Erwartet waren Kosten in Höhe von etwa 2.000 €. Die Nachfrage ergab dann folgende Antwort:
„Der Kunde ist bekannt als verhandlungsstarker Gegner. Wenn wir erst den kleinen Plotter angeboten hätten, würde der Kunde so lange diskutieren, bis er schließlich den großen Plotter bekommt.“
Der Mitarbeiter war davon überzeugt, dass er der Firma sogar Kosten gespart hat. Wenn man gleich das Beste liefert, gibt es keine zeitraubenden Diskussionen. Er hatte in der Vergangenheit die Erfahrung gemacht, dass seine Kunden so lange mit ihm diskutierten, bis sie schließlich das bekommen hatten, was sie wollten. Indem er von vornherein den maximalen Plotter liefert, spart er also den Zeitaufwand für die Verhandlungen. Angeboten wurde dann ein Plotter für 1.500, - €, was der Kunde anstandslos akzeptierte.
Dieses Beispiel zeigt ein Grunddilemma der meisten Techniker und Ingenieure. Bei kommerziellen Verhandlungen betreten sie ungewohntes Terrain. Diese Unsicherheit wird dann von erfahrenen Verhandlungspartnern ausgenutzt, was dann zu der Erfahrung führt, dass sich Verhandlungen nicht lohnen. Fehlendes Verhandlungstraining und die damit verbundene Erfahrung, dass die Gegenseite häufig gewinnt, ist da prägend.
Ansatz 6: Unterscheiden zwischen der kommerziellen und der technischen Lösung
Ansatz 7: Verhandlungs-Assessment
Ansatz 8: Verhandlungen nach dem PRO:Claim®-Konzept
Overengineering Ursache 3: Der Kunde ist König
Sehr oft wird bei einer Analyse von Kostenüberschreitungen erkannt, dass deutlich mehr geliefert wurde, als der Vertrag tatsächlich fordert. Die Antwort der verantwortlichen Techniker und Ingenieure lautet dabei häufig:
„Was sollte ich machen? Der Kunde hat dies in den Design-Meetings gefordert und jetzt will er das nicht bezahlen!“
Natürlich hat der Kunde in den meisten Verträgen das Recht, zusätzliche Leistungen zu bestellen. Doch vor einer Leistungsänderung steht die gemeinsame Einigung über den Umfang und die Mehrkosten. Interessant ist hier die national unterschiedliche Handhabung. Der englische Ingenieur hat wenig Skrupel, zu seinem Kunden ein lautes deutliches „Nein“ zu formulieren. Ein Sprichwort unter Projektmanagern greift dies auf:
Wer in England einen Vertrag unterschreibt, erhält genau das, was im Vertrag steht. Wenn es dann noch funktioniert, hat er unglaubliches Glück gehabt.
Der deutsche Spezialist, gibt hingegen sein Bestes, damit das Projekt zur vollen Zufriedenheit des Kunden entwickelt wird. Die technische Erfordernis steht dabei im Vordergrund. Mit der Lieferzeit im Nacken, wird dann oft mit der Umsetzung begonnen, bevor die kommerziellen Auswirkungen vereinbart sind. „Man“ wird sich schon irgendwie über die Mehrkosten einigen. Die Enttäuschung ist dann groß, wenn der Kunde in den Folgediskussionen die Mehrkosten ablehnt. Leider nützt dem Projekt die Kundenzufriedenheit wenig, wenn es all diese Extras bezahlt. Die Kosten laufen davon und das Projekt leidet Not.
Ansatz 9: Definierte Prozesse zum Änderungsmanagement
Nur einfache, standardisierte und transparente Änderungsprozesse bieten hier Abhilfe. Die Mitarbeiter benötigen handhabbare, standardisierte Handlungsschemata, die grundsätzlich für alle Projekte anwendbar sind. Mit einem professionellen Änderungsmanagement lassen sich konfliktträchtige Kundenmehrforderungen umgehen. Basis bildet die genaue Kenntnis der eigenen Baseline, also die mindestens zu erbringende Leistung, um den Vertrag zu erfüllen.
Overeingineering Ursache 4: Die Scham des Technikers, nach Geld zu fragen
Im Zusammenhang mit der Durchsetzung von Mehrforderungen lässt sich immer wieder erleben, dass viele Techniker ein großes Problem damit haben, dem Kunden eine geldliche Mehrforderung zu präsentieren. Die Diskussion um Geld ist anstrengend, häufig sehr emotional und nicht selten von Drohungen begleitet. Kunden üben dazu regelmäßig Druck aus, indem sie z.B. erklären, dass ohne die gewünschte Änderung, die Genehmigung der Planungsunterlagen nicht erteilt wird. Auch die Drohung, den Auftragnehmer bei zukünftigen Vergaben nicht mehr zu berücksichtigen, wenn dieser den Ersatz von Mehraufwand einfordert, ist ein häufiges Argument. Diese Befürchtung führt im Vertrieb sogar regelmäßig zu einem vorauseilenden Gehorsam, ohne dass der Kunde überhaupt etwas drohen muss. Auf den technischen Abteilungen lastet somit sehr oft nicht nur ein Druck von außen, sondern auch von Seiten der eigenen Mannschaft.
Untersuchungen haben gezeigt, dass dieser Druck, vor allem im Zusammenhang mit einer Geldforderung, dazu führt, dass Vermeidungsstrategien entwickelt werden. Ressourcen werden dann dafür verwendet, Argumentationen zu entwickeln, warum der Kunden einen Anspruch auf die Mehrleistung hat und nicht, warum der Kunde dies bezahlen soll.
Ansatz 10: Arbeitsabläufe, mit einer Trennung der kommerziellen und technischen Lösung.
Eine erfolgreiche Systematik zur Lösung derartiger Konflikte hat die Contract Tools GmbH entwickelt, indem durch definierte Arbeitsabläufe, eine Trennung von kommerziellen und technischen Änderungen vorgenommen wird. Der Vorteil liegt darin, dass eine kommerzielle Einigung oft länger dauert, als die technische Lösung. Durch eine definierte Vorgehensweise kann die technische Umsetzung zeitnah erfolgen, ohne dass Ansprüche verloren gehen
Overengineering Ursache 5: Die strenge Unternehmensführung
Viel der Ursachen für Mehrkosten, finden sich in Abläufen und der Kompetenz der Mitarbeiter. Doch auch die durch das Management gelebte Unternehmenskultur spielt eine mehr als wichtige Rolle, wenn es um die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens geht. Der folgende Bericht ist keine theoretische Erläuterung, sondern ein Fall der tatsächlich so passiert ist.
Ein Unternehmen des Großanlagenbaus hat den Vorstandsposten neu besetzt. Der neue Vorsitzende wollte von vorneherein Zeichen setzen und deutlich machen, dass er keine Fehler toleriert. Gleich in der ersten Woche wurde daher ein Ingenieur aufgrund eines Fehlers an den internen Pranger gestellt und entlassen. Ihm wurde zur Last gelegt, dass er ein Regelventil zu klein ausgelegt hat. In der Folge waren zeitaufwendige Nacharbeiten auf der Baustelle erforderlich. Auch in der darauffolgenden Zeit hat dieser Vorstand dafür gesorgt, dass diverse Mitarbeiter sich das Unternehmen von außen betrachten konnten (wie er es gerne formulierte), wenn diese aus seiner Sicht einen Fehler verschuldet hatten.
Eine dramatische Auswirkung dieser Unternehmenskultur stellte sich dann erst 20 Monate später heraus. Als eine neue Industrieanlage im Wert von 250 Mio. € in Betrieb genommen wurde, produzierte diese 25% mehr Leistung, anstelle der verkauften 100%. Eine Analyse, wie es dazu kommen konnte, verlief ergebnislos. Erst vertrauliche Gespräche mit beteiligten Mitarbeitern zeigte dann die Ursache. Aus Angst vor der Bestrafung durch den Vorsitzenden, hatte sich ein hausinterner Sicherheitszuschlag etabliert. Zu klein dimensioniert, gefährdet den Arbeitsplatz! Größer dimensioniert, vermeidet das interne Risiko des Arbeitsplatzverlustes!
Das Problem, bestand allerdings darin, dass die Anlagen, aufgrund der Überdimensionierung nicht mehr konkurrenzfähig angeboten werden konnten. Das Unternehmen wurde im Übrigen mittlerweile von der Konkurrenz übernommen.
Ansatz 11: Fehlertolerantes Management
Fehlertolerante Unternehmen, die die Devise „Aus Fehlern lernen“ auch tatsächlich leben, zeigen langfristig ein deutlich besseres Gesamtergebnis, als Unternehmen mit einer Bestrafungspolitik. Offen über Fehler sprechen zu können, ist allerdings eine echte Herausforderung, die im gesamten Unternehmen, vom Vorstand bis zum kleinsten Rädchen gelebt werden sollte.
Gerade dann, wenn es um die Analyse eines Claims geht, dann werden sehr oft Abweichungen identifiziert, die einem Mitarbeiter angelastet werden könnten. Im Ergebnis lässt sich bei intolerant geführten Unternehmen immer wieder erleben, dass Fehler dann kaschiert und manipuliert werden, so dass eine Analyse der Ursachen zumindest erschwert, wenn nicht unmöglich wird. Aus Fehlern lernen und diese in zukünftigen Projekten zu vermeiden, ist eine der erfolgreichsten Strategien, nicht nur um sich die Loyalität der Mitarbeiter zu sichern, sondern auch um einen Vorsprung vor dem Wettbewerb zu erlangen.